Flache Ausreden

Der Tag der Toten rückt näher und mit ihm intensiviert sich der edelste Teil ihrer Erinnerung, meiner Toten und Begrabenen, die schon so lange tot sind, dass ich sie, auch ohne es zu wollen, für viele ihre Entscheidungen und Einstellungen ehre, die ich geerbt und so weit kultiviert habe, dass sie zu einem wichtigen Teil meiner Identität wurden. Von mir selbst fast ununterscheidbar sind sie nun, da die Unterschiede, die uns zu gemeinsamen Lebzeiten voneinander trennten, kaum noch von Bedeutung sind.

Solche Gespenster der Vergangenheit machen mir keine Angst, weil sie weiterhin meine Gegenwart prägen. Es sind die Skizzen einer allzu nahen Zukunft, die sich unaufhaltsam und in der Tat beängstigend abzeichnen. Seit mehr als zehn Jahren stehe ich privat und beruflich in engem Kontakt mit priviligierten Kindern und Jugendlichen, von denen einige zweifellos Teil meiner Wahlfamilie sind. Mit Bedauern stelle ich allzu oft fest, dass ich trotz meiner Vorliebe und meiner Fähigkeit, sie mit einer gewissen Leichtigkeit zu verstehen, nun eher der aussterbenden Generation nahe stehe als denen, die bald über das Schicksal der Menschheit und des Planeten entscheiden werden. Nicht nur wegen der Technologie, die zivilisatorische Rückschritte rasant in Fortschritt verwandelt, sondern vor allem wegen der ideologischen Last, die der übertriebene Individualismus mit sich bringt. Selbst unter sehr gut ausgebildeten jungen Menschen, die den Wert von Wissenschaft, Kunst, Kultur und Wissen im Allgemeinen zu schätzen wissen, sind die additiven Züge des kriminellen Konsumverhaltens offensichtlich. Ich weiß nicht genau, wie ich das entkräften kann, aber ich nenne weiterhin Verbrecher wie

Nestle

Amazon

Shein

usw. und so fort, ohne Ende und ohne Hoffnung.

Wir bauen weiter Mikro-Utopien für ein multispezies-Zeitalter und träumen von einer Wirtschaft, die uns allen dient (auf jeden Fall versuchen wir, so weit wie möglich, uns weiterhin konsequent verantwortungsbewusst zu verhalten - radikale Reduzierung des Verbrauchs, Wiederverwendung, Kompostierung, Recycling, Produktion und Zubereitung von echten, nicht industriell hergestellten regionalen Lebensmittel). Zwar habe ich Individualismus geschrieben, aber das trifft es nicht einmal mehr so ganz. Vielleicht meinte ich eigentlich reinen Egoismus, Blindheit und Gleichgültigkeit, während diese Spuren lediglich das massive Versagen meiner Generation widerspiegeln, Empathie und soziales Engagement zu vermitteln.

Wenn wir nur die wachsende Sucht für sofortige Befriedigung überwinden und den Mythos des unbegrenzten Wachstums entlarven könnten…


Von Mail Artist Eduardo Cardoso, 

Está Bem, July 2025

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