Die Prinzessinnen des Kronkorkens
Zum Feierabend gestern, wie vor fast 3 Jahren täglich erschöpft nach den Proben und Aufführungen, tranken eine gute Freundin und ich, ein Grapefruit-Erfrischungsgetränk aus Weizenbier. Es war das dritte Mal, dass wir uns in diesem Jahr gesehen haben. Das erste, dass es mir gelang, die Kronkorken ohne einen Kapselheber selbst zu öffnen. Vielleicht habe ich es erst jetzt versucht, nur weil wir kein richtiges Feuerzeug dabei hatten. Ich trinke zwar immer noch kein Apfelschorle oder Sprudelwasser, aber ich kann schon Flaschen mit bloßen Händen öffnen. Daher spürte ich auch die Berlinerin in mir. Ich konnte mich entspannter verabschieden.
Aber vorher sind wir noch durch den Kiez, in Mitte fast an der Grenze zum Wedding, gelaufen. Sie hatte mich vor dem Wohnblock der Kindern, mit denen ich jetzt etwas mehr Zeit verbrachte, praktisch spontan und mit Getränken abgeholt. Wir gingen zum Nordufer hin und saßen uns um sie zu trinken. Auf der Bank unter der Lampe mit Blick auf die Dunkelheit des Wassers und die Lichter drum herum. Dort unterhielten wir uns, wie wir es immer taten, bevor uns das alles widerfuhr. Da gibt es auch eine große, blaue Bank, die ich mag. Sie war bereits besetzt.
Danach gingen wir um den leeren Block für eine letzte Runde herum. Zwischen imposanten, institutionellen Fassaden, Bauwerken und unsere kinematographische vielleicht, aber auch nur banale, Eindrücke von Spuren menschlichen Lebens in fremden Hinterhäusern gemischt. Aus meinen eigenen Ecken auch. Ich könnte weinen, aber stattdessen lächelte ich, zumindest glaube ich, dass ich das tat. Denn es wurden eine Zeit lang Intimitäten ausgetauscht und es gab nichts mehr als diese Art von Vertrauen, das ich mir in diesem Moment noch hätte wünschen können.
Es war Nacht, mir ist es kalt geworden. Wir haben uns an der Tankstelle ein warmes Getränk zum Mitnehmen geholt (für einmal ohne uns um unsere abwesende Becher zu kümmern). Sie nahm eine kleine heiße Schokolade und ich einen normalen Cappuccino mit. Da haben wir uns kurz über das absurde Osterruhe-Drama aka Corona-Lockdown Fiasco und die folgende Entschuldigung der Kanzlerin noch unterhaltet (für einmal war ich nicht so sauer auf alle: Kirche, Industrie, öffentliche Meinung, Regierung und Opposition). Das Losslassen lernen, immer noch. Ich werde jetzt für eine Weile im Süden weg.
Irgendwann verwendete sie das Adjektiv wählerisch, es heißt picky auf Englisch. Selbstverständlich, aber manchmal kann man nicht sofort eine passende Übersetzung finden. Früher am Kanal hatte ich to compartmentalize gesagt. Es heißt aufgliedern (ich wusste es noch nicht). Inzwischen musste sie mich nochmal an das Bereuen erinnern (das vergesse ich immer wieder). Wir teilen sowohl Zweifel als auch Wortschätze.
Und dann verabschiedeten wir uns: Sie fuhr mit dem Fahrrad weiter nach Osten, ich stieg in die U-Bahn nach Kreuzberg. Wir hoffen, wir treffen uns in Mai wieder.
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