Abschiedsklassen
Danke, dass du bei uns bist, schrieb eines der Teenager, von denen ich mich gestern verabschiedet habe. Das ist jetzt jeden zweiten Tag ein Abschied, es ist nicht leicht, das emotionale Gleichgewicht zu halten, sowie die Fähigkeiten, abzuschließen, aufzuräumen, weiterzugehen. Die übrigen Botschaften, die hauptsächlich von der liebevollen erschöpften Lehrerin formuliert wurden, erwähnen meinen Einsatz, meine Geduld (wer hätte das gedacht) und mein Engagement, das den Platz der Kreativität in ihren Leben garantiert zu haben scheint, was mich sehr freut. Es waren aber diese Worte von Liuba bei uns, die mich wirklich berührt haben. Nicht nur, aber auch.
Ich kann mich nicht mehr erinnern, woher Liuba kommt und was ihre Muttersprache ist. Sie spricht wenig und schwänzt oft die Schule. Meine ukrainische Kollegin, unsere Psychologin, redet mit ihr auf Russisch. Ich merkte, dass sie gerne malt. Ich weiß immer noch nicht, woher Dany kommt oder wie er tatsächlich heißt, aber ich weiß, dass er gerne mit leiser Stimme und einer sehr sorgfältigen Artikulation liest. Endlich habe ich gelernt, wie man Dishal buchstabiert (ich hatte es nicht übers Herz gebracht, noch einmal zu fragen). Ich wusste aber, er kommt aus Syrien und lebt seit 5 Jahren in einem Container. Er boxt und ist der süßeste Junge, den ich je getroffen habe, der kaum in irgend einer Sprache lesen kann, aber schon so fließend Deutsch spricht. Von ihm kam der kitschigste (und am stärksten künstlich parfümierte) plastische Rosenstrauß meines Lebens; das ehrlichste Geschenk, das gegeben und erhalten wurde, riskiere ich zu behaupten, auch wenn ich falsch liege.
Gestern verabschiedeten wir uns, wie ich schon sagte, und ich könnte von vielfältigen Jungen und Mädchen weiter erzählen, die mich mit Glitzerherzen, Blumen, selbstgemalten Steinen, Schokoladen, endlosen Bonbons und einer Kerze umarmten, und die, glaube ich, in mir für eine lange Weile bleiben werden. Die arabische Rapperin, die nicht glaubte, auf der Bühne Deutsch sprechen zu können. Der afghanische Junge, der vor einer Woche angekommen war und sich auf das Wort Blume gefreut hat. Der stumme Türke, der beim Schlagzeugspielen mit meinem kolumbianischen Kollegen, unserem Musiker, aufblühte. Oder noch das brasilianische Mädchen, das eine Eselin namens Esmeralda - der Smaragd - gezeichnet hat, die den Feind mit einem Wimpernschlag in Stein verwandeln konnte, und bereits seit Wochen in einer Regelklasse ist. Neben vielen anderen.
Was mich bei all dieser Dankbarkeit am meisten störte, waren die vier kleinen Batterien in der Tüte mit den Süßigkeiten: Jemand teilte mit mir, ganz sicher, ihre wichtigste Energiequelle, das wertvollste Gut. Diesmal war ich sprachlos. Es könnte auch sein, dass die bösen Jungs mich verarscht haben. Auf jeden Fall: Wenn ich die Grenzallee allzeit verlasse, ziehe ich es vor, hoffnungsvoll zu bleiben.
Comments
Post a Comment