Theater um den Zoo
Hinter dem Bahnhof Zoologischer Garten in Berlin gab es in der Zeit der Weimarer Republik ein Theatersaal, das zwischen 1920 und 1937 mehrere Namen, Intendanten, vielfältige künstlerische Ansätze und Klientel sah. Es fällt mir sehr schwer, mir diese spannende Zeit für die Kunst hier vorzustellen. Andererseits ist es unzweifelhaft, dass die Umgebung starke Emotionen auslöst, die über längere Zeit anhalten. Ich fand den Ort immer unerträglich, sich frei zu bewegen ziemlich anstrengend; Man fühlt sich irgendwie eingeschränkt auf der Suche nach parallelen ruhigen Straßen, wo das Stehen, Sitzen oder Gehen möglich ist, ohne unbedingt konsumieren oder Teil einer Menschenmenge sein zu müssen. Ich war zuerst ein paar Male als Touristin dort und dann, als Berlinerin für kurze Zeit, jeden Tag zur Arbeit im Hard Rock Cafe. Das hat drei Monate gedauert, danach bin ich nur noch selten am Zoo vorbeigegangen. Um ein- und auszusteigen im Bahnhof, als ich oft nach Alt-Moabit ging, wo ich lange Zeit einen Deutschkurs besuchte und später in einer Kirche in der Nähe des Gefängnisses probte und spielte. Das war's. Vor ein paar Jahren bin ich für eine beschissene Straßenperformance mit Kollegen dorthin zurückgekehrt, dann bin ich nie wieder dort hingegangen. Ich besitze immer noch einen langen schwarzen Mantel, das Kostüm dieser Art von Veranstaltung, das die einzige Bezahlung für die geleistete Arbeit war... es ist irgendwie lustig, dass die Erinnerung an diesen Flop so gut zu der Umgebung passt: Alle zusammen mit den Mänteln sahen wir wie Verrückte aus, die an Uniformen gebunden waren. Diese Performance war auch ein richtiger Krimi, um der lokalen Atmosphäre noch anderer Jahrzehnte gerecht zu werden, oder besser gesagt ein kleiner Betrug eines Betrügers namens Roland Orlando Moed, der von sich behauptete, Bildkünstler zu sein und uns mehr als gut bezahlen zu wollen, um seine Vorstellung theatralisch in der Kurfürstendamm zu verkörpern, was er fotografiert und gefilmt hat, den wir aber eigentlich nur als Ex-Sträfling im Rahmen der Resozialisierung durch Theater kennengelernt hatten (keine große Überraschung, der Betrug, nur ein weiteres kleines künstlerisches Abenteuer, das uns zwei Nachmittage und viele Spekulationen im Nachhinein gekostet hat, sowie die Enthüllung von Persönlichkeiten - aber das ist eine andere Geschichte).
Letztes Wocheneden waren wir, meine gute Freundin (die, die sagt, sie fühlt sich von Widersprüchen angezogen) und ich wieder rund um den Zoo unterwegs, um eine Fotoausstellung über Theater in dem heutigen Museum für Fotografie, zu sehen. Das Museum befindet sich in einer engen, aber ruhigen Straße, in der es keine endlosen Reihen von feinen oder auch nur unzugänglichen Geschäften gibt. Wäre da nicht eine lärmende Menge von Obdachlosen, die stundenlang in einer Schlange hinter dem berühmten Bahnhof anstehen, könnte man von einer Straße ohne Leben sprechen. Die Statue eines angesehenen Mannes ist vor dem Museum mit Bauarbeiten bis zur Hüfte bedeckt: Er scheint ein Gesetz zu lesen, aber später wurde mir klar, dass es ein Schild ist, das er in der Hand hält. Es handelt sich um eine Skulptur unbekannter Urheberschaft des Landwehrkasinos aus der preußischen Zeit, lange bevor es ein Theater nach dem 1. Weltkrieg und nach dem 2. eine Kunstbibliothek, eine Galerie und letztendlich auch ein Museum wurde. Wir waren die majestätische rot gesäumte treppe hinaufgestiegen und hatten die Helmut-Newton-Stiftung im ersten Stock ignoriert zum alten Festsaal mit der außergewöhnlich hohen Decke. Da war in den 20er Jahre das Neue Theater am Zoo und in den 30er das Deutsche Volkstheater, wo jetzt die Ausstellung stattgefunden hat, die uns interessierte. Aber wir fanden erst heraus, wo wir uns befanden, als wir uns in einem kleinen Raum sahen, der die Geschichte des Gebäudes anhand von Fotos und Plakaten von Theateraufführungen sowie alten Programmheften mit Gravuren erzählte. Wer heute an die Decke schaut, von wo einige diffuse Lichter die Fotografien kaum anleuchten, hätte sich keine Bühnenbeleuchtung für viele hundert Zuschauer vor hundert Jahren vorstellen können.
Die Fotografien von Ruth Walz, die die Arbeit des Ensembles der Schaubühne von den 1970er bis 1990 begleiteten und grandiose Bühnen einiger der renommiertesten Regisseure, Bühnenbildner, Dramatiker und Kostümbildner des 20. Jahrhunderts erfassten, sind ebenso sehr ein wunderschönes Werk der Dokumentation einzigartiger Produktionen wie auch absolut genialer Teil der kreativen Prozesse, die sie erdacht und kontinuierlich weiterentwickelt haben. Ich fühle mich privilegiert, sie gesehen zu haben, und tief inspiriert von einigen der Bilder, vielleicht nicht überraschend, insbesondere von denen außerhalb dessen, was traditionell als Theaterraum bezeichnet wird.
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